Weltwoche.ch, Ausgabe 32/08 Hintergrund
Beda M. Stadler
Rauchverbot eingeführt, Herzinfarktrate zurückgegangen: Immer wieder erregen in der letzten Zeit solche Erfolgsmeldungen Aufsehen. Wenn sie bloss stimmen würden.
In letzter Zeit haben die Medien des Öftern über Wunder berichtet. Im September 2007 zum Beispiel war in Focus online und anderswo die Rede vom «Wunder von Schottland»:
Seit dort das Rauchen in den Pubs und anderen öffentlichen Räumen verboten ist, sei innerhalb eines Jahres die Zahl der Herzinfarkte unter den Rauchern um 17, unter den Nichtrauchern sogar um 20 Prozent gesunken.
In der amerikanischen Stadt Helena, Montana, wo seit 2002 ein Rauchverbot in Gaststätten gilt, sollen (ebenfalls im ersten Jahr) die Infarktfälle im St. Peters Community Hospital auf 24 Fälle zurückgegangen sein; in den Jahren 1998 bis 2001 waren es offenbar noch durchschnittlich etwa 40 Fälle pro Jahr gewesen. Die Zeitschrift Preventive Medicine wiederum schilderte im April 2007 ein ähnliches Wunder: In der Stadt Bowling Green, Ohio, seien die Krankenhauseinweisungen aufgrund von Herzerkrankungen um 47 Prozent zurückgegangen.
Bereits 2006 wurde in der Fachzeitschrift European Heart Journal von italienischen Forschern rapportiert, dass sechs Monate nach dem Rauchverbot im Piemont die Anzahl der Infarkte abgenommen habe. Dieses Jahr hat eine weitere Forschergruppe aus Italien in der Zeitschrift Circulation behauptet, dass die Infarktrate in Rom im Jahr 2005 um acht bis elf Prozent zurückgegangen sei. Beschämend für die Wissenschaft Es ist Aufgabe der Wissenschaft, sich kritisch mit irrationalen Inhalten auseinanderzusetzen und vor allem auch mit Kollegen, die solche beschreiben. Da der Zigarettenkonsum in allen Wunderländern laut offizieller Statistik kaum abnahm, erscheint das «Infarktwunder» besonders irrational. Schauen wir uns die Fälle im Einzelnen an. Das «Wunder von Schottland» ist das einzige, welches bisher von den Medien enttarnt wurde. Die BBC bezeichnete bereits im November 2007 die Studie nicht nur als minderwertig sondern als falsch. Sie wurde übrigens nur in den Medien verbreitet, aber nie publiziert, was eine zusätzliche Unsitte ist. Der Rückgang der Herzinfarkte ist einfach zu erklären: Seit 1997 sank die Infarktrate in ganz England konstant. Dank besserer medizinischer Versorgung ist dies in praktisch allen europäischen Ländern der Fall, und dies seit langem, also auch schon, als überall noch heftig gequalmt wurde.
In Helena verglich man die Fallzahlen nur mit dem Vorjahr, und der «Rückgang» der Infarkte lag ohnehin bloss innerhalb der normalen statistischen Streuung. Die Geschichte von Bowling Green ist doppelt nebulös, weil dort in Nebenräumen von Restaurants weiterhin geraucht werden durfte; trotzdem hat man den gleichen statistischen Trick angewendet: Das Jahr zuvor war ein Ausreisser, bei dem es viele Infarkte gab. Im Jahr 2003, also nach dem Rauchverbot, war die Infarktrate etwa so wie 2000 oder 2001.
Auch die erwähnten Studien aus Italien sind für die Wissenschaft beschämend. Bei der einen Studie gilt ebenfalls: Der Rückgang im Jahr 2005 liegt in der statistischen Schwankung. Bei der zweiten Studie musste man an der Auswahl des Patientenguts herumdoktern, damit ein künstlicher Rückgang beobachtet werden konnte, der aber wie in allen anderen Ländern im allgemeinen Trend lag.
Ich habe nach Entschuldigungen für meine Wissenschaftskollegen gesucht, die solche Studien veröffentlichen. Ich habe keine gefunden, war aber angenehm überrascht über die Ehrlichkeit der Gesundheitsämter aus den betreffenden Ländern. Laut deren Statistiken hat sich bisher selbst in Kalifornien, wo die schärfsten Verbotsgesetze erlassen wurden, die Raucherratekaum verändert. Auch in Kalifornien ist es übrigens so, dass die wichtigste Zielgruppe, nämlich junge Menschen, seit 1994 sogar wieder deutlich mehr zur Zigarette greift. Die offiziellen Daten aus Grossbritannien zeigen den gleichen Trend: Wohl ist eine leichte Abnahme der Raucherzahl seit 2000 zu beobachten, diese wurde aber durch die Rauchverbote nicht beeinflusst. In der Zwischenzeit hat sich herumgesprochen, dass Passivrauchen nicht tödlich ist. Selbst
Kollegen, die mich damals, als die Weltwoche einen Artikel zum Thema brachte, privat und öffentlich kritisiert haben, sehen heute ein, dass das mit den Todesfällen und dem Passivrauchen frei erfunden war. Nun löst sich also auch das Herzinfarktrisiko im Passivrauch auf. Man darf aber genauso nüchtern festhalten, dass diese neuen Fakten für die Antiraucher- Lobby keine Rolle spielen werden. Die Antiraucher-Kreuzzügler werden weiterhin an ihre Wunder glauben. Professor Beda M. Stadler ist Direktor des Instituts für Immunologie an der Universität Bern.
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