FASTENZEIT

Frank Davis auf Deutsch

(Originaltitel: Lent)

„Jetzt kommt langsam die Jahreszeit, in der ich keine Kneipen mehr besuche und dort im Garten sitze. Ab ca. Oktober bis März suche ich überhaupt keine Kneipen auf, weil ich es nicht ertrage, bei einem Bier nicht rauchen zu können. Ich hasse das heute genauso sehr wie am 1. Juli 2007.

Da es letzte Woche in England schön und sonnig war, nutzte ich jede Gelegenheit, in einer Vielzahl unterschiedlicher Pubgärten ein Bier und eine Zigarette zu genießen, solange das geht. Es hatte sogar den Vorrang gegenüber meinen Untersuchungen des Tscheljabinsk-Meteors, obwohl ich mich da auf spannenden neuen Pfaden befand. So aufregend das alles war – ich ließ es liegen und machte mich für ein, zwei Stunden auf zum Pub.

Heute schien dies nicht möglich. Es war ein regnerischer Tag in meinem Teil der Welt, und die Satellitenbilder (über welchen ich Stunden verhocken kann) versprachen kaum Sonne. Aber zum Einkaufen ging ich sowieso, und auf dem Heimweg zeichnete sich wieder so eine dunkle Regenwolke am Horizont ab, mit Regenbändern drunter.
Aber nach ein paar Minuten Beobachtung dachte ich, sie könnte nördlich vorbeiziehen. Und hinter ihr war blauer Himmel. Vielleicht würde es ja gar keinen weiteren Schauer geben?
Also ließ ich es darauf ankommen und suchte die nächstgelegene Kneipe auf, bestellte ein kleines Bier in der Hoffnung, die finstere Wolke würde wirklich vorbei- und nicht mich überziehen.

Dann brach die Sonne durch. Es sah aus, als hätte ich richtig gewettet.

Und dann begannen die ersten Tröpfchen zu fallen. Fast nur ein Nieseln. Ich beugte mich über meine gerade entstehende Selbstgedrehte, um sie trocken zu halten.
Der Regen wurde heftiger. Und ich sagte mir, dass ich mich schlimmstenfalls irgendwo würde unterstellen müssen, auch wenn die Sonne hell schien und die Regentropfen fast so schnell wieder verdampften wie sie gelandet waren.
Und dann hörte der Regen auf. Nur der hintere Rand des durchziehenden Schauers hatte mich gestreift.
Und es wandelte sich zu einem herrlichen Nachmittag. Also blieb ich auf noch ein Bier.

Ich weiß nicht, was ich daran so liebe, mit einem Bier und einer Zigarette dazusitzen. Ich überlege mir da nicht viel. Vielleicht denke ich gar nichts. Ich sitze bloß da und starre ins Leere. Ich glaube sogar, ich SEHE gar nichts mehr. Ich bin nur da, mit meinem Bier und meiner Zigarette. Und irgendwie in Frieden. Und diese kleine Oase des Friedens scheine ich zu brauchen.

Pubs sind für mich wie Kirchen. Es gibt sie, damit man sie einfach betreten kann um stillzusitzen und besinnlich ins Leere zu gucken.

Ich freilich gebe Pubs gegenüber Kirchen den Vorzug. Und heute dachte ich mir, der wirkliche Unterschied zwischen Pubs und Kirchen (zumindest den katholischen meiner Jugend) ist, dass man in der Kirche saß oder stand oder kniete und dem Priester beim Weintrinken und Brotessen ZUSAH. Im Pub hingegen kann man SELBER Wein trinken und Brot essen. Und das ist mit Abstand besser. Außerdem kann man reden und rauchen. Oder konnte man früher jedenfalls.

Ich glaube, wenn Jesus gerade in der Gegend wäre, würde man ihn wahrscheinlich in einer Kneipe vorfinden. Er scheint eine ganze Menge gegessen und getrunken zu haben, wie man so hört. Er konnte sogar Wasser in Wein verwandeln, was auf Partys und Hochzeitsfeiern sicher immer gut ankam. Und er scheint lockere Damen gemocht zu haben. Und er war sehr, sehr redselig. Vielleicht zu sehr. Ich stell mir gern vor, dass er auch geraucht hat. Oder hätte, wenn ihm jemand eine angeboten hätte. Gauloises oder Gitanes vermutlich. Denn Jesus war wahrscheinlich Franzose. Und fuhr einen Peugeot. Oder eventuell einen Renault.

Jedenfalls sind meine Kirchgangstage für dieses Jahr fast vorbei. Was vor mir liegt, ist eine vier- bis sechsmonatige Fastenzeit der erzwungenen Abstinenz. Dann kommt Ostern mit der Erneuerung und Wiedergeburt der sonnigen Gastgärten. Solcherart bringt sich das Kirchenjahr dann wieder hervor.“

Original: https://cfrankdavis.wordpress.com/2015/10/07/lent/

NWR-FB: https://www.facebook.com/groups/NetzwerkRauchen/permalink/10152986731981595/

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Red.