Das Verschwinden der Raucher

Das Verschwinden der Raucher

Artikel in der taz, 9. März 2007:

In der Debatte um Rauchverbote und Nichtraucherschutz werden die Raucher an den Rand gedrängt, diffamiert und kriminalisiert. Das verträgt sich schlecht mit den Grundsätzen einer pluralen Gesellschaft. […]



Klingt akzeptabel? Zumindest als Diskussionsgrundlage? Nicht für „Pro Rauchfrei“, nicht für die „Nichtraucher-Initiative Deutschland“: Raucherlokale zu erlauben, „legalisiert die Körperverletzung mit Todesfolge“. Wer im Online-Gästebuch der niedersächsischen Landesregierung den Wulff’schen Vorschlag verteidigt

(„Der Staat soll sich nicht in alles einmischen“), wird sofort als Undercover-Tabaklobbyist verdächtigt, und sei er ansonsten noch so gegen das Rauchen: „Dieser Beitrag stammt niemals von einem Nichtraucher, denn kein Nichtraucher ist heute noch so dumm und fordert tödlichen Passivrauch in Gaststätten“; der Eintrag sei daher „strafrechtlich problematisch“ und überhaupt durch den Webmaster zu löschen, denn er „zitiert sämtliche Argumente des VdC (Verband der Cigarettenindustrie)“. […]

Die Lobbyarbeit des DKFZ verdeckt, dass es bei der zugrundeliegenden wissenschaftlichen Analyse stets um Risiken geht. Der Schutz vor den Gesundheitsrisiken, die der moderne Lebensstil mit sich bringt, ist aber immer schon höchst verhandelbar gewesen. Auch das akzeptierte „Restrisiko“ beim Betrieb von Atomkraftwerken besteht in der Vernichtung menschlichen Lebens. Das Prinzip „Kleinste Mengen sind zu viel“ stellt einen Fremdkörper inmitten einer Regelungslandschaft dar, die ansonsten auf die Festlegung von Grenzwerten setzt, vom Schadstoffgehalt der Luft über den Anteil gentechnisch veränderten Materials in der Nahrung bis zur Belastung von Produkten mit krebserregenden Nitrosaminen. Dass ausgerechnet dort kein Pardon gegeben wird, wo es nicht um industrielle Produktion, sondern um das Verhalten einzelner (genauer: einer Minderheit) geht, hinterlässt nicht nur bei Rauchern ein schales Gefühl.

Red.