UNERWÜNSCHT IM GASTHAUS „WILLKOMMEN“

UNERWÜNSCHT IM GASTHAUS „WILLKOMMEN“

Frank Davis auf Deutsch

(Originaltitel: Unwelcome at the Welcome Inn)

»Vergangene Woche habe ich mit einer Idee für eine Zeichnung herumgespielt, wie jemand draußen vor der Kneipe sitzt und raucht. Heute nun schmiss ich mein „Manga Studio 5“ an und fertigte eine grobe Skizze davon an, landete schließlich bei dieser Szenerie:

[Abb.]

Ich war ein bisschen überrascht, dass es sich in diese Richtung entwickelt hatte und dass ich ihm eine Baumreihe im Hintergrund verpasst hatte. Aber heute Abend kam mir, dass ich etwas aus der Erinnerung gezeichnet hatte.

Damals, im Juli 2005, als noch jedes Rauchverbot unvorstellbar war, war ich auf jemandes Geburtstagsparty in einem großen Landhaus in Somerset eingeladen. Aber schon bevor ich ankam, schärfte mir die Gastgeberin ein, dass drinnen nirgendwo geraucht werden dürfe. Und da ich dort übernachten sollte, wurde mir der Schwur abgenommen, dass ich in meinem Schlafzimmer nicht rauchen würde – was mich nicht weiter störte, da ich nicht die Gewohnheit habe, im Schlaf zu rauchen.

Die Party begann bei strahlender Sonne auf den geräumigen Rasenflächen um das Haus herum. Eine Musikgruppe spielte und alles stand draußen und trank und rauchte und unterhielt sich.

Als die Sonne unterging, begaben sich allmählich alle Beteiligten nach drinnen, um etwas zu essen. Aber als ich hinein ging, fühlte ich mich augenblicklich unbehaglich ohne Zigarette. Partys, auf denen keiner raucht, sind so fremdartig wie solche, wo keiner was trinkt oder redet. Also holte ich mir einen Teller voll Essen, füllte mein Glas auf und ging wieder raus zum einzigen Platz, der zum Raucherbereich erklärt worden war: eine Pergola, etwa 100 Meter vom Haus entfernt.

Es stellte sich schnell heraus, dass nicht nur ich auf diese Idee gekommen war. Denn als ich dort ankam, waren die meisten Stühle bereits besetzt. Darauf saßen unter anderem sämtliche der Musiker, die den Nachmittag über gespielt hatten. Da war keine Beleuchtung. Und kein Tisch. Alle dort Anwesenden saßen still da und aßen, tranken und rauchten oder blickten schweigend auf die Bäume um den Rasen herum. Für die meisten von ihnen war dies wahrscheinlich ihre erste Erfahrung mit einem Rauchverbot.

Ich verbrachte den ganzen Abend auf der Pergola, von gelegentlichem Nachschenken im Haus mal abgesehen. Und die meisten anderen ebenso. Als sich die Party drinnen ihrem Ende zuneigte, nahm ich den Weg zu meinem Übernachtungszimmer und schlief ein.

Im Rückblick erscheint mir die ganze Episode wie ein dumpfer Vorgeschmack dessen, was bald überall kommen würde: Hinausgeschickte Raucher, die gesellschaftliche Spaltung, das ungläubige Augenreiben, die Fassungslosigkeit.
Viele der dort Anwesenden waren Freunde, die ich schon 30 Jahre oder noch länger kannte. Und bei den meisten davon war es war das letzte Mal, dass ich sie gesehen habe.

Wenn heute etwas anders ist, dann ist es meine noch weitergehende Entfremdung. Damals wurde ich nur aus der Party im Haus ausgeschlossen. Heute bin ich es auch noch auf vielerlei andere Art. Ich bin gesellschaftlich, kulturell und politisch entfremdet. Das Gasthaus „Willkommen“ könnte einfach eine Kneipe sein, aber auch für die Gesellschaft als Ganzes stehen. Auch für England oder die EU. Und ich sitze draußen. Und ich sitze immer noch weiter und weiter draußen.

Es gab nochmal eine Besonderheit an dieser Nacht im Juli 2005: Die Gastgeberin, deren Geburtstag es war, kam kein einziges Mal zur Pergola. Sie erwähnte sie auch nicht am nächsten Tag, als ich abreiste. Auch wenn ich mich fragte, was sie sich dabei dachte, wenn ein Viertel ihrer Gäste den ganzen Abend in der Dunkelheit 100 Meter von ihrem Haus verbrachte: Auch das war prophetisch. Nichtraucher nehmen nie Notiz von den Rauchern draußen. Sie erkennen die stattfindende gesellschaftliche Spaltung nie. Sie spannen es nicht.

Eines Tages, drei, vier Jahre später, das landesweite Rauchverbot war bereits in Kraft, bestellte ich in meiner örtlichen Kneipe in Devon – die ich nur noch aufsuchte, wenn es sonnig genug war zum Draußensitzen am Fluss – einen kleinen Imbiss.

„Ich bring’s dir, wenn’s fertig ist“, sagte die Bedienung.
„Und wohin?“, fragte ich.
„Na, da hin, wo du immer sitzt“, sagte sie fröhlich, „zum Tisch in der Ecke am Fenster.“
„Da habe ich seit seit fast zwei Jahren nicht mehr gesessen“, sagte ich. „Ich sitze nur noch draußen am Fluss.“

Sie hatte das einfach nicht mitgekriegt. Sie hatte das komplett übersehen.
So wie die Regierung und die Medien und fast alle anderen.«

Original: https://cfrankdavis.wordpress.com/2016/04/11/unwelcome-at-the-welcome-inn/

NWR-FB-Permalink: https://www.facebook.com/groups/NetzwerkRauchen/permalink/10153322290756595/

Frank Davis auf der Netzwerk Rauchen – Facebook-Gruppe: https://www.facebook.com/groups/NetzwerkRauchen/search/?query=frank%20davis

Red.