Bundesregierung verweigert Verbrauchern Information

Bundesregierung verweigert Verbrauchern Information

Das Bundesernährungsministerium präsentiert eine Tabakzusatzstoff-Datenbank, deren Inhalte seit über zehn Jahren (!) veraltet sind.

Seit Mai 2016 ist es verboten, Tabakverpackungen mit Werteangaben zu bedrucken. Wozu die Hersteller zuvor verpflichtet waren, nämlich die Nikotin-, Teer- und Kohlenmonoxidwerte auf den Packungen anzugeben, dürfen sie nicht mehr. Schuld ist die novellierte Tabakproduktrichtlinie (TPD 2) der Europäischen Union. So sieht heutzutage (EU-)Verbraucherpolitik aus: Um Platz zu machen für emotionalisierende Ekelbilder, müssen sachliche und nützliche Inhaltsangaben verschwinden. Manipulation verdrängt Information.

Raucher und andere Interessierte finden Sie diese Angaben trotzdem, nämlich beim Netzwerk Rauchen, jährlich aktualisiert in einer Datenbank. Was aber macht der Staat? In den 00er Jahren hat das Bundesernährungsministerium (BMEL), damals unter grüner Führung, mal eine Tabakzusatzstoff-Datenbank eingeführt, die neben eben jenen Zusatzstoffen auch die Werte für Nikotin, Teer und Kohlenmonoxid erhalten. Letztere sind für die meisten Verbraucher wesentlich relevanter.

Und in der Tat findet sich auf der Website des Bundesministeriums eine Datenbank, die fast 10.000 einzelne Tabakerzeugnisse verzeichnet. Zumindest bei den fertigen Industriezigaretten ist man so freundlich, die oben genannten Gehalte an Nikotin usw. anzugeben. Der Haken dabei: Diese Einträge verharren auf dem Stand von 2011.

Nun hat sich in den vergangenen zehn Jahren eine Fülle von Änderungen ergeben, sowohl durch Regulierung als auch in der Marktentwicklung.

  • Diverse Produkte werden nicht mehr oder unter einer anderen Bezeichnung vertrieben (Stichwort: Markensterben), neue sind auf den Markt gebracht worden.
  • Der gesamte Bereich der Mentholtabakwaren ist einem Verbot durch die TPD2 zum Opfer gefallen, seit Mai 2020 dürfen sie nicht mehr verkauft werden.
  • Bei den Werten sowie bei den Zusatzstoffen diverser Erzeugnisse sind Anpassungen erfolgt. So kann sich z.B. der Nikotingehalt bei einer Marke über die Jahre mehrfach geändert haben.

Die völlig veraltete Datenbank der Bundesregierung führt also Verbraucher in die Irre statt sie aufzuklären. Dabei liegen die Daten vor, werden der EU-Kommission von den Herstellern gemeldet. Auf der Ministeriums-Website heißt es sogar: „Die Mitteilungspflichten wurden durch die Tabakproduktrichtlinie ausgeweitet und wurden entsprechend national umgesetzt.“

Diese „Umsetzung“ besteht offenbar darin, seit zehn Jahren der Öffentlichkeit gegenüber nichts mehr transparent zu machen. Netzwerk Rauchen hat als Verbraucherschutzorganisation im Sommer beim BMEL darauf gedrängt, dass die Datenbank endlich aktualisiert wird. Eine Nachfrage und mehrere Monate später hat uns das Ministerium kürzlich erst mitgeteilt, es sei „zurzeit nicht möglich, die gemeldeten Daten von der Europäischen Datenbank EU-CEG elektronisch herunterzuladen und dadurch der Öffentlichkeit auf der Webseite zugänglich zu machen“. Man habe sich bereits an die EU-Kommission gewandt. Allerdings hatte das BMEL schon 2016 auf eine Presseanfrage geantwortet: „Derzeit wird geprüft, wie die derzeitige Veröffentlichungspraxis zu überarbeiten ist.“

Derzeit ist man noch nicht weiter. Offenbar hat man im Hause anderes zu tun. Der Anfrage des Netzwerk Rauchen ist immerhin zu verdanken, dass das Ministerium die Datenbank jüngst mit einem Hinweis auf ihre mangelnde Aktualität versehen hat. „Es wird derzeit an einer Aktualisierung gearbeitet.“ Derzeit – eine wohl sehr dehnbare Zeiteinheit beim zuständigen BMEL-Referat in Berlin.

Sollen wir Verständnis dafür aufbringen, dass die Bürokraten für eine Datenbank so lange zu brauchen drohen wie für die Fertigstellung gewisser Bahnhöfe und Flughäfen? Das beantwortet ein Blick hinüber zum Nachbar Österreich: Auf der Website eines staatseigenen Unternehmens präsentiert die Alpenrepublik Tabak-  und ähnliche Produkte in einer Datenbank. Die Werte für Nikotin, Teer und Kohlenmonoxid werden bei den Industriezigaretten angegeben. Dabei greift man nach eigener Aussage monatlich (!) auf die „Daten des Common Entry Gate [CEG]“ der EU zurück – also desselben Portals, das preußische Bürokraten zu überfordern scheint.

Wir sehen: kein Hexenwerk. Netzwerk Rauchen verlangt daher, dass das BMEL die für die deutschen Verbraucher relevanten Informationen zeitnah aktualisiert und endlich auf dem neuesten Stand präsentiert. Zeit ist mehr als genug verstrichen. Bei dieser Gelegenheit sollte das Ministerium auch die Inhaltsstoffe bzw. Werte bei losem Tabak angeben, im Sinne eine Gleichbehandlung der Erzeugnisse und einer möglichst umfassenden Verbraucherinformation. Wir warten – und verweisen nochmals auf unsere eigene Datenbank.

MIB