Von der Zigarette an die Nadel?

Von der Zigarette an die Nadel?

Impfungen gegen das Rauchen werden seit Jahrzehnten erforscht. Dieser Ansatz war bisher nicht nur ein Milliardengrab im Antitabakkampf, sondern würde auch die Medizin weiter pervertieren.

„Tabakrauchen“, steht in einem letztes Jahr erschienen Forschungspaper, „bleibt weiterhin eine globale Epidemie“. Pandemie heißt so was, wie inzwischen jedes Kind weiß. Nun ist Tabakrauchen zwar keine Krankheit – genauso wenig wie Homosexualität oder Briefmarkensammeln. Aber wenn man etwas eine Pandemie nennt, kann man vielleicht etwas auf den Markt bringen, das man Impfung nennt.

Als wäre der Milliardenmarkt an Nikotinpflaster und -kaugummis, Entwöhnungspillen und Psychopharmaka nicht genug an fraglicher Geldmache, will man inzwischen auch zur Spritze greifen. Das ist nicht ganz neu, seit etwa 20 Jahren laufen hierzu Tests in den Laboren. Wir können auch viel weiter zurückgehen, zu Lucy Page Gaston, einer verhärmten Gouvernante der Anti-Cigarette League in den USA. Unter ihrer Ägide wurde Menschen schon vor dem Ersten Weltkrieg eine verdünnte Silbernitrat-Lösung in den Mund verabreicht, damit sie beim Rauchen krank und so von selbigem abgehalten würden.

Nach ähnlichem Muster funktioniert Pfizers Mittel Champix (englisch: Chantix). Unter Inkaufnahme problematischer Nebenwirkungen bis hin zur Selbsttötung soll die Einnahme der Tabletten dazu führen, dass man sich beim Rauchen ekelt und es daher bleiben lässt. Champix kam vor 15 Jahren auf dem Markt, als eine große Welle von staatlichen Rauchverboten über die Welt schwappte – nicht zuletzt auch den Bemühungen einschlägiger Pharmakonzerne geschuldet. Inzwischen hat die Weltgesundheitsorganisation Champix und ein Entwöhnungs-Psychopharmakon auf die Liste der unentbehrlichen Medikamente gesetzt. WHO-Finanziers wie die entsprechenden Firmen oder Bill Gates danken.

Wäre ein solcher Effekt zu erreichen, ohne täglich Pillen einnehmen zu müssen? Könnte eine Spritze dauerhafter funktionieren? Aus dieser Fragestellung sind einige Versuche entstanden, eine sogenannte Nikotinimpfung zu entwickeln. Die Funktionsweise ist auf dem Papier einfach: Antikörper werden gebildet, damit das Nikotin im Gehirn nicht wirken kann. Die Befriedigung soll ausbleiben, so der Plan, dann wird weniger geraucht (oder gedampft). Somit hätten wir eine Impfung, die nicht nur gegen keine Krankheit immunisiert, sondern genauso wenig gegen das Rauchen. Sie soll lediglich Verhalten steuern, indem sie es unattraktiver macht. Von Medizin als Heilkunde entfernt man sich da meilenweit.

In den 2000er Jahren entstand im Zuge der eskalierenden Tabakbekämpfung ein kleiner Goldrausch um diese „Impfung“. Gleich vier „Arzneimittel“ gingen in die Entwicklung: NicVAX, TA-NIC, Niccine und NicQb. Nach anfänglicher Euphorie über Resultate in der ersten Phase der klinischen Prüfung folgte der Kater: TA-NIC, NicQb (letzteres unter Beteiligung des Pharmariesen Novartis) sowie das schwedische Niccine scheiterten an ernüchternden Ergebnissen in Phase II (bzw. IIb). Wirkung gegenüber Placebos unzureichend. Lediglich NicVax (mit Geldern des US-Steuerzahlers und des Konzerns GlaxoSmithKline) gelangte in die dritte Phase ­– um dann durchzufallen.

Investitionsruinen auf dem lukrativen Schlachtfeld der Tabakbekämpfung, wie sich Anfang der 2010er Jahre herausstellte. Hat man durch die verbrannten Millionen und Abermillionen gelernt, davon die Finger zu lassen? Nein, keineswegs. Die Vision lebt fort, Forschung findet nach wie vor statt. US-Bundesgelder fließen weiter. Auch Pfizer, wie Novartis und GlaxoSmithKline aktiv bei Antitabak-Pharmazeutika, hat investiert. Man setzt  z.B. auf Nanopartikel, ist bisher aber auch damit nicht so weit gekommen. Selbst eine intranasale Applikation wird geprüft. Bei einem Forschungsteam ist sogar „von einer neuen Art der ‚Impfung‘, […] einer klassischen Gentherapie“ die Rede. Corona lässt grüßen. Auch bei den „grippeähnlichen“ Nebenwirkungen, die in den Tests auftraten.

Ob der Dammbruch bei den Covid-Impfstoffen – das Überspringen eines ordentlichen Prüf- und Zulassungsprozesses sowie die Fortführung der druckbasierten Impfkampagne trotz eins Missverhältnisses von Wirkung und Nebenwirkungen – im Bereich der Nikotin-Impfungen Ähnliches zur Folge haben könnte, steht in den Sternen. Die politisch und wirtschaftlich treibenden Kräfte sind großteils deckungsgleich, und beim Tabak kann man auf ein paar Jahrzehnte (wenn nicht Jahrhunderte) längere Narrativverbreitung und Panikmache zurückgreifen.

Da bei den bisherigen Produktkandidaten selbst im Erfolgsfall vielfaches Boostern erforderlich gewesen wäre, um ein paar Monate „Immunität“ zu erreichen, würde aus der Sache eine teure Spaßbremse. Deshalb hat man es in der Vergangenheit ausgeschlossen, dass individuelle oder kollektive Nikotinimpfungen aus öffentlichen Geldern bezahlt werden könnten.

Dennoch geisterte schon die früh die Vorstellung herum, eine lebenslange „Immunisierung“ sei auf diesem Wege zu erreichen. Dann würde man nicht beim offiziell formulierten Zweck, Rauchern die Entwöhnung zu erleichtern, Halt machen. Sondern „auch die präventive Impfung beispielsweise von Jugendlichen“, von „Kindern vor der Pubertät“ steht auf der Wunschliste der Antiraucher und Abstinenzapostel. Diese „Manipulation“, so eine medizinethische Erörterung, könne ein vermeintlicher Nutzen rechtfertigen. Selbst ein „verpflichtendes staatliches Rauchimpfprogramm“ wird in diesem Denken vorstellbar.

Besser wäre allerdings, die Medizin und den Impfgedanken nicht für solches Social Engineering zu missbrauchen. Sondern Lebensstil und Konsumgewohnheiten dem Einzelnen zu überlassen. Diese Mésalliance von Politik und Pharmazeutik, wie sie beim Tabak schon lange vor der Corona-Transformation Gestalt angenommen hat, gehört beendet. Der Mensch sollte nicht zu dem werden, was man ihm spritzt.

Christoph Lövenich

(Dieser Artikel ist zuerst bei Novo erschienen.)

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