Die EU empfiehlt weitreichende Rauch- und Dampfverbote an der frischen Luft. Soll uns das interessieren?
Anfang des Monats verabschiedete der sogenannte Europäische Rat eine Empfehlung, der zufolge die EU-Mitgliedsstaaten Rauchverbote nicht nur in geschlossenen Räumen, sondern auch in Außenbereichen erlassen sollen. Das beträfe z.B. Strände, Schwimmbäder, Haltestellen oder die Außengastronomie. Und würde vor dem Dampfen oder Tabakerhitzen keinen Halt machen.
Überraschen konnte das nicht. Brüssel ist für seine Tabakfeindlichkeit – mitsamt WHO- und Pharmaverflechtung – seit Jahrzehnten berüchtigt. Es stand mal die Idee im Raum, bei Verstößen gegen Rauchverbote „eine aufsehenerregende Strafverfolgung zu betreiben, um die abschreckende Wirkung zu verstärken„, am besten bei prominenten Rauchern. Vor diesem Hintergrund ist positiv zu vermerken, dass es im EU-Parlament keine Mehrheit zur Unterstützung dieser Empfehlung gab.
„EU gibt grünes Licht für Rauchverbot im Freien“, titelte die Bild-Zeitung. Das führt in zweierlei Hinsicht in die Irre:
Erstens hat die Empfehlung keinen rechtlich bindenden Charakter, sondern gibt letztlich nur eine Ansicht wieder. Niemand in Belgien, Kroatien oder Deutschland braucht deswegen auch nur einen Finger zu krümmen oder eine Vorschrift zu ändern. Die verbindlichen Vorgaben, die die EU zum Rahmen der Tabakbesteuerung und vor allem zu den Tabakprodukten und ihren Verpackungen (von Ekelbildern bis zu Aromaverboten) erteilt, sind wahrlich schon schlimm genug.
Zweitens können Mitgliedsstaaten bzw. die dort zuständigen Ebenen solche Beschränkungen auch ohne Brüsseler Plazet erlassen. In Deutschland z.B. gelten längst Rauchverbote auf Schulhöfen, in NRW auch im Außenbereich von Jugendheimen, je nach Land und Kommune mitunter auf Spielplätzen. Vielen aus dem Alltag bekannt, aber nicht gesetzlich vorgeschrieben sind Rauchverbote auf Bahnsteigen. Die gelben Rechtecke in Bahnhöfen – und die Totalverbote an kleineren Haltestellen, die kaum einer einhält – stammen von der allseits beliebten Deutschen Bahn. Zu Zeiten der Coronapolitik-Verordnungen bestand in manchen Fußgängerzonen wegen des Maskenzwangs ebenfalls ein Rauchverbot.
Die erste Empfehlung dieser Art beschlossen die Eurokraten übrigens 2009, seinerzeit betraf sie Innenräume. Schon damals hatte der Bundesrat als Vertretung der deutschen Länder auf das Subsidiaritätsprinzip gepocht, also die eigene Zuständigkeit gegenüber EU-weiten Zentralregelungen verteidigt. Diesmal äußerte er in einer Stellungnahme „Zweifel an der Belastbarkeit der Daten“, was die angebliche Gefährdung durch Umgebungsrauch an der frischen Luft angeht, und sprach sich „gegen die empfohlene Ausweitung des Rauchverbots auf gastronomische Außenbereiche“ aus. Mit anderen vom EU-Rat angeregten Verboten im Freien (respektive dann Unfreien) scheint das Verfassungsorgan weniger Probleme zu haben: vor Einkaufszentren, Hochschulen und Gesundheitseinrichtungen, für Besucher von Freilichtbühnen oder Zoos, und sogar auf manchen Balkonen. Dafür soll laut Bundesrat in der Außengastronomie „ein sachgerechter Ausgleich zwischen den Belangen von Rauchern und Nichtrauchern gefunden werden“, notfalls, indem man den Biergarten in Raucher- und Nichtraucherzonen unterteilt…
In der Bundesratssitzung artikulierte der einzige Redner zu diesem Punkt, der hessische Gesundheitsminister Manfred Pentz (CDU), „ein gewisses Gefühl der Übergriffigkeit“ seitens der EU, was die Regelungskompetenz angeht. Auch seien solche Verbote zu aufwändig, man sollte doch „Fünfe grade sein (…) lassen“. Unzutreffend bemerkte der Politiker, niemand zweifle daran, dass „Passivrauchen die Gesundheit schädigen“ könne. Im Gegenteil, wir vom Netzwerk Rauchen haben das schon lange als Lug und Trug entlarvt. Nunmehr dehnen die Tabakbekämpfer von der EU das Brunnenvergifter-Narrativ aus, auch in Aerosolen (wie beim Dampfen) lauere der Tod für Dritte. Brüssel verspricht Forschung zu diesem Thema – Auftragsstudien, die wohl nachträglich belegen sollen, was man jetzt schon behauptet.
Vor diesem Hintergrund begrüßen wir zwar, dass in vielen Medien ablehnende Töne zur neuen EU-Empfehlung zu vernehmen waren. Allerdings klangen diese zuweilen defensiv, nach dem Motto: „An Verbote in Innenräume haben wir uns ja gewöhnt; wir müssen halt draußen bleiben, bitte lasst uns wenigstens das, ja?“ Nein, auch die gesetzlichen Verbote in Innenräumen gehören aufgehoben, die Einrichtungen sollen selbst entscheiden. Erfreulicherweise haben 13 deutsche Bundesländer zumindest für gastronomische Innenräume kein (Beinahe-)Totalverbot erlassen, dann können sie auch die Neuauflage der EU-Empfehlung getrost ignorieren.
Zeitweise planten die Eurokraten eine Komplettuntersagung des Tabakkonsums an Arbeitsplätzen. Der üblich verdächtige Karl Lauterbach (SPD), damals noch einfacher Bundestagsabgeordneter, forderte 2008: „Das Rauchen an allen Arbeitsplätzen muss europaweit verboten werden.“ Davon sind wir erfreulicherweise noch entfernt. Die aktuelle EU-Empfehlung spricht allerdings auch „Tabakrauch und Aerosole in der Umgebungsluft in Außenbereichen, die mit einem Arbeitsplatz verbunden sind“, an. Soll dann auf der Straße niemand man mehr rauchen oder dampfen, wenn Arbeiter auf einer Baustelle zugange sind? Brüssel ist vieles zuzutrauen.
Aber auch in Deutschland muss man auf vieles gefasst sein. Die Gemeinde Holzwickede (Kreis Unna/NRW) hat jüngst ein Rauchverbot für Veranstaltungen auf der Straße beschlossen, worunter im kommenden Jahr z.B. der Weihnachtsmarkt fällt. Anlass war ein Verbot des Cannabiskonsums, das die angebliche Satire-Partei Die Partei mit einem Antrag konterte, den Tabakgenuss ebenso zu verbannen, was eine Mehrheit fand. Das bezog sich auf die partielle Cannabis-Legalisierung auf Bundesebene, und wohl nicht auf die EU-Empfehlung.
Was diese angeht, so hat Netzwerk Rauchen als Verbraucherschutzorganisation 2022 an der Sondierung teilgenommen, die die EU-Kommission zu diesem Vorhaben im Vorfeld durchführte. Schon 2007 hatte die ideelle Vorläufervereinigung von Netzwerk Rauchen e.V. eine Stellungnahme zu einem damaligen Grünbuch der Kommission eingereicht. Damals sprachen wir uns gegen „das geplante Konzept der obrigkeitlichen Schaffung rauchbefreiter Zonen“ aus, gegen den „Missbrauch eines verengten ‚Gesundheits‘begriffes für die autoritäre Disziplinierung der Bevölkerung“ und gegen die „‚Entnormalisierung‘ des Tabakrauchens“. Inzwischen möchte die EU nicht nur weiterhin „entnormalisieren“, sondern sogar – unter dem Vorwand der Krebsbekämpfung – „bis 2040 eine ‚Generation Rauchfrei‘ (…) erreichen, in der weniger als 5 % der Bevölkerung Tabakerzeugnisse konsumieren“. Planwirtschaftliche Hybris zum Quadrat und ultimative Bevormundung des Lebensstils.
Mehr finden Sie in unserer Stellungnahme an die EU. Dort haben wir klar zu den Draußen-Rauchverboten festgestellt:
Was in Sachen Luftbelastung schon für Innenräume nicht gilt, trifft auf Außenbereiche erst recht nicht zu. Auch die Ausdehnung auf das Dampfen und das Tabakerhitzen lehnen wir ab.